Im Gegensatz zu Märchen gibt es in Beziehungen zwischen Opfern und Helden meist nur Verlierer.
Im Laufe des Lebens begegnen wir immer wieder Menschen, die uns in schweren Zeiten zur Seite stehen, uns helfen und sich wie wahre Helden oder Heldinnen verhalten. Sie sind wie leuchtende Sterne, die unsere Dunkelheit erhellen und uns wieder auf die Beine bringen. Doch trotz unserer Dankbarkeit für ihre Hilfe liegt genau hier das Problem.
Wo beginnt Dankbarkeit und wo hört sie auf?
Jeder von uns ist schon einmal jemandem dankbar gewesen. Doch wie weit reicht diese Dankbarkeit wirklich? Und wie können wir es vermeiden, als bloße Nutznießer dazustehen?
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Wie wird man zum Opfer seines Helden/seiner Heldin?
Es gibt verschiedene Aspekte, die dazu führen können, dass man zum Opfer seines ursprünglichen Helden/seiner Heldin wird. Ein Beispiel dafür ist, dass man immer auf Abruf bereitstehen muss, wenn diese eine besondere Person sich meldet, denn schließlich war der Held/die Heldin auch immer für einen da.
Es könnten auch bestimmte Gefallen eingefordert werden, denen man sofort nachkommen sollte, da einem der Held/die Heldin damals ja auch geholfen hat. Wenn man jedoch diesen Erwartungen nicht gerecht wird, kann der Held/die Heldin plötzlich eine völlig andere Seite von sich zeigen.
In manchen Situationen kann Hilfe gut gemeint sein, aber dennoch Raum für Verbesserungen bieten. Wenn darauf hingewiesen wird, dass etwas nachgebessert werden könnte, kann es vorkommen, dass der Held oder die Heldin sich in seinem oder ihrem Ego gekränkt fühlt und plötzlich nicht mehr so gut auf die Person zu sprechen ist. Plötzlich hört man Sätze wie „Man kann es dir nie recht machen“ oder die Person wird sogar als Schmarotzer abgestempelt.
Nun muss man sich natürlich schuldig fühlen und es wiedergutmachen oder aber man kann sich auf eine Welle der Enttäuschung und Abneigung gefasst machen.
Der Held oder die Heldin fühlt sich zunehmend ausgenutzt und tut nun mit großem Unmut seinen oder ihren Ärger kund. Man spricht schlecht über dich und möglicherweise wird man sogar fortan von bestimmten Kreisen gemieden. Plötzlich wird der einstige Held oder die einstige Heldin selbst zum Täter, obwohl er oder sie sich in Wahrheit als Opfer fühlt. Und man findet sich selbst in der Rolle des Täters oder der Täterin wieder, obwohl man sich als Opfer empfindet. Man wird zum Schuldigen abgestempelt, obwohl man sich auch als Betroffener fühlt.
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Die Problematik der Opfer und Helden Beziehung.
Die Beziehung zwischen Opfern und Helden ist eine komplexe Problematik, die uns oft dazu bringt, eine Seite zu verurteilen. Doch wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille. Es ist wichtig, die verschiedenen Perspektiven zu berücksichtigen und eine ausgewogene Betrachtung anzustreben. Opfer können selbst zu Helden werden, die große Stärke und Überlebenswillen demonstrieren. Auf der anderen Seite können Helden wie auch Opfer auch zu Tätern werden, wenn sie ihre Macht missbrauchen.
Es ist entscheidend, dass man nicht voreilig urteilt und sich bewusst wird, dass Opfer und Helden oft untrennbar miteinander verbunden sind.
Die Seite des Opfers:
Wenn man Unterstützung benötigt und jemand Hilfe anbietet, sollte man diese auch dankbar annehmen. Denn mal ganz ehrlich, es wäre doch auch schlicht und einfach blöd, wenn man diese großzügige Hilfe ausschlagen würde. Doch warum sollte man dann in irgendeiner Form dafür bezahlen müssen, wenn im Vorfeld keine Gegenleistung erwartet wurde?
Hier ist Vorsicht geboten. Das Geben und Nehmen sollte immer in Einklang sein und klar kommuniziert werden, nach dem Motto, „wenn du mir hier hilfst, dann lass mich dir dort helfen“. Dann ist es nämlich eine Win-win-Situation für beide Parteien.
Die andere Seite der Medaille
Manchmal gerät das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen aus den Fugen. Wenn der gutmütige Held oder die gutmütige Heldin ihre Hilfe ohne jegliche Gegenleistung anbietet, gewöhnt man sich recht schnell daran und fordert unbewusst immer mehr ein. Denn schließlich hilft der liebe Held oder die liebe Heldin ja gerne und es wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Doch dabei vergisst man nur zu gern, dass selbst der edelste Held oder die edelste Heldin Grenzen hat. Und am Ende könnte es gut sein, dass man den Helden oder die Heldin unbewusst tatsächlich etwas ausnutzt.
Dies geschieht leider schneller als man denkt und oft merkt man es, wenn überhaupt, dann erst im Nachhinein. Man sollte ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen, ob man den Bogen eventuell doch etwas überspannt hat und über das Ziel hinausgeschossen ist?
Es ist äußerst wichtig, dass Geben und Nehmen stets im Einklang stehen. Selbst wenn keine expliziten Forderungen gestellt werden, sollte man immer darauf bedacht sein, dass sich beide Seiten wohlfühlen. Denn letztendlich geht es darum, dass man sich gegenseitig respektiert und keiner die Hilfe am Ende bereut.
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Die Seite des Helden:
Hand aufs Herz, warum hat man dem Opfer geholfen?
War es, weil das Opfer in einer schwierigen Situation war und man den Wunsch hatte, zu helfen? Oder hat es sich einfach großartig angefühlt, sich wie ein wahrer Held zu fühlen und dafür Anerkennung, Aufmerksamkeit und Lob für die wertvolle Unterstützung zu erhalten?
Man sollte seine eigenen Motive hinterfragen und versuchen, ganz ehrlich und aufrichtig zu sich selbst zu sein. Wenn man wirklich nur aus reinem Mitgefühl und uneigennütziger Hilfsbereitschaft zur Stelle war, dann denkt man danach auch nicht weiter darüber nach. Doch wenn die Taten aus dem Verlangen entstanden sind, gebraucht und geschätzt zu werden, und man die Anerkennung und Dankbarkeit genießt, dann war man unbewusst auf das Lob und die Dankbarkeit des Opfers aus.
In einer Situation wie dieser ist es von großer Bedeutung, achtsam zu sein und aufzupassen, dass man sich nicht in diesem Gefühl verliert. Es kann passieren, dass das Opfer sich an die aufrichtige Hilfsbereitschaft gewöhnt und beginnt, diese als selbstverständlich anzusehen. Mit der Zeit könnte dann das Gefühl aufkommen, als ob die Bemühungen von der Person nicht ausreichend gewürdigt werden oder man sogar ausgenutzt wird.
Möglicherweise lässt die Person auch irgendwann die Opferrolle hinter sich. Dadurch könnte man sich plötzlich überflüssig fühlen, da man sich bereits daran gewöhnt hat, immer zur Seite zu eilen und zu helfen.
Hast du dich selbst in diesem Szenario der Opfer und Helden Beziehung wiedererkannt?
Wenn du dich darin wiedererkennst und nach Lob und Anerkennung suchst, dann arbeite an deinem Selbstwert, deinem Selbstvertrauen und vor allem an deiner Selbstliebe. Wenn du nicht länger von der Anerkennung anderer abhängig bist, kannst du anderen helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Alternativ kannst du von Anfang an klar kommunizieren, welche Art von Gegenleistung du erwartest. Indem du dies von Anfang an klarstellst, kann dein Gegenüber entscheiden, ob er oder sie auf den Deal eingehen möchte oder eben nicht.
Solltest du dich in der Opferrolle wieder gefunden haben, dann heißt es diese zu erkennen und abzulegen. Oftmals sind es tief verwurzelte Glaubenssätze aus unserer Kindheit, die bis heute unser Handeln beeinflussen und uns unbewusst in die Opferrolle drängen.
Oft geschieht dies auf subtile Weise, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Doch wir spüren diesen tiefen Wunsch nach einem Wunder oder einem Helden, der uns aus unserer Misere rettet. Doch anstatt passiv darauf zu warten, dass jemand uns befreit, ist es an der Zeit, unsere eigenen Fähigkeiten zu entfesseln, unser Selbstbewusstsein zu stärken, Selbstliebe zu entwickeln und selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen.
Indem wir die Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen, können wir aktiv an unserer persönlichen Entwicklung arbeiten. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen und uns nicht länger von äußeren Umständen bestimmen zu lassen.
Mit meinem Coaching begleite ich dich gerne auf deinem Weg.
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